Irene, Paul und Edith Klein

Paul Klein wurde am 1. Juni 1900 in Wien geboren, 1922 heiratete er die aus Miskovice bei Tabor stammende Irene Gottlieb, und am 27. September 1923 kam in Wien Tochter Edith zur Welt. 1926 übersiedelte die Familie nach Zwettl, wo Paul Klein im Erdgeschoß des Hauses von Eduard Schidloff, Sparkassenplatz 2, ein Handelsgeschäft für Schuhe, Hüte, Wirkwaren und Bekleidungsartikel eröffnete. Die Familie wohnte zunächst im Haus Landstraße 55, ab 1927 dann in der Gartenstraße 10 und ab 1937 im Haus Schulgasse 13.[1]

Die Familie Klein beschloss vermutlich unmittelbar nach dem „Anschluss“, das Deutsche Reich zu verlassen, und Paul Klein ging sofort daran, sein Geschäft zu liquidieren und das Warenlager aufzulösen. Der Abverkauf seiner Waren an Zwettler Kunden dürfte wegen der Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte wahrscheinlich nicht allzu erfolgreich gewesen sein. Klein retournierte unverkaufte Ware gegen Gutschrift an seine Zulieferer und überließ den Rest des Lagerbestandes gegen eine Pauschalzahlung Rudolf Gottlieb in Wörgl[2]. Das ergab in seiner - für Juden verpflichtenden - Vermögensanmeldung vom 27. April einen Aktivposten von etwas mehr als 12.000 Reichsmark, zu dem noch Außenstände von nahezu 1.800 Reichsmark kamen, die allerdings als uneinbringlich gelten mussten. Dem gegenüber machte er eigene Zahlungsverpflichtungen in der Höhe von rund 10.600 Reichsmark geltend, woraus sich ein Betriebsvermögen von rund 3.200 Reichsmark ergab, zu dem noch etwas mehr als 1.400 Reichsmark an Bargeld und wenige Wertpapiere kamen.[3] Der Betrieb wurde mit 1. Mai 1938 aufgelöst, die Gewerbeberechtigungen gelöscht.[4]

Das Auto der Familie Klein, ein Pkw der Type Steyr 50, wurde von der örtlichen SA beschlagnahmt und von SA Sturmführer Friedrich Riemer aus Zwettl am 2. Juni 1938 an das SA Brigadekommando XI in Wien Arsenal überstellt.[5] Am 25. Juli fertigte die Gemeindekanzlei für Paul, Irene und Edith Klein Sittenzeugnisse aus, welche sie zur Ausreise bzw. zur Lösung eines Reisepasses brauchten, und am 30. Juli 1938 reiste die Familie nach Wien ab.[6]

Im Oktober 1938 interessierten sich staatliche Stellen neuerlich für die Familie Klein. Die Vermögensverkehrsstelle beim Ministerium für Wirtschaft und Arbeit hatte nämlich festgestellt, dass Paul Klein auf die schriftliche Aufforderung, seine ausländischen Wertpapiere der Reichsbankhauptstelle in Wien zum Kauf anzubieten, nicht reagiert hatte. Das Gendarmeriepostenkommando Zwettl wurde mit Nachforschungen beauftragt. Revierinspektor Hammerschmidt meldete am 8. Oktober 1938, dass die Familie Klein Zwettl am 30. Juli verlassen habe. Außerdem teilte er mit, dass Paul Kleins ehemaliger Nachbar im Haus Schulgasse 13, der Friseur Franz Schmoll, ausgesagt habe, die Familie Klein hätte Ende Juli 1938 einen Großteil ihrer Möbel verkauft, den Rest durch einen Autotransport mit unbekanntem Ziel wegbringen lassen und sei, ohne Abschied zu nehmen, unvermutet abgereist. Am 17. September 1938 hatte Schmoll von Klein aus Paris dann eine mit 14. September datierte Karte erhalten, in der sich Paul Klein dafür entschuldigte, ohne Verabschiedung fortgefahren zu sein und angab, am 1. Oktober in die USA ausreisen zu wollen.

Durch Zufall kam 1944 der spätere Zwettler Mineralölgroßhändler und Bürgermeister Franz Eigl als Kriegsgefangener in den USA in Kontakt mit der Familie Klein. Paul Klein und seine Enkelin besuchten 1969 die Stadt Zwettl.[7]


[1] Stadtarchiv Zwettl (StAZ), Meldebuch 1926 und 1927; Karton 102, Reg.Nr. 452; NÖLA, BH. Zwettl, Kart. 240, 1940, Gr. XI, 153, Faszikel Sicherheitspolizei, Stammzahl 530.

[2] Rudolf Gottlieb war vermutlich der Schwiegervater des Landesproduktenhändlers Karl Rosenberg aus Hörmanns.

[3] Landesarchiv (NÖLA), RStH ND, IVd-8, Vermögensanmeldung von Paul Klein, Zwettl.

[4] Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Zwettl Nr. 23 vom 8. Juni 1938.

[5] NÖLA, BH Zwettl, Gr. X/137-1938, Karton 213, Stammzahl 307, Beschlagnahme von jüdischen Fahrzeugen.

[6] StAZ, Einreichungsprotokolle, Sign. 3/127, Nr. 131 bis 133 bzw. StAZ, Sign. 5/93, Meldebuch 1933-1939.

[7] Franz J. Eigl, Vieles war anders als ... (Zwettl 2000), S. 156-158.


Zukunftsfonds der Republik Österreich Logo

NÖ Dorf- und Stadterneuerung Logo

Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus